Korsika, die schöne Wilde

Das war wohl nix mit Asterix

Bonifacio
Bonifacio
Bastia, Straßenmusiker
Bastia, Straßenmusiker

Man sollte Kurven lieben, etwas holländisch verstehen und wenig schreckhaft sein, wenn man Korsika mit dem Leihwagen erkundet. Auch sollte man Vorurteilen skeptisch begegnen. Denn die gibt es reichlich, wenn es um die schönste aller Mittelmeerinseln und ihre Bewohner geht.

„Der Korse an sich gilt als stolz und schweigsam“, hatte uns Olaf mit auf den Weg gegeben. Peter schwärmte zwar von unvergesslichen Tagen an einsamen Stränden, zeichnete aber ein Horrorszenario der Straßenverhältnisse – wie er sie vor 25 Jahren erlebt hat. Und Leon (8), der uns in der S-Bahn zum Flughafen gegenüber saß, zischte seine Weisheiten aus dem Asterix-Komik mit wichtiger Miene durch seine Zahnlücke: „Die Kor-s-sen sind verschloss-s-en und machen immer S-siesta.“

 

Wir haben uns trotzdem nicht von unserer Korsika-Reise abbringen lassen. Zum Glück. Denn diese Insel wurde nicht ohne Grund schon von den alten Griechen „Kalliste“, die Schönste, getauft. Die weißen Strände und das kristallklare Meer machen jeder Karibikinsel Konkurrenz. Die grüne, nach Thymian, Rosmarin, Salbei, Wacholder und einem Dutzend anderer Kräuter duftende Bergwelt ist ein herrlicher Spielplatz der Natur. Verträumte Bergdörfer thronen auf runden Kuppen. Bunte Hafenstädte laden zum Bummeln und Schauen ein. Und Vorurteile sind dazu da, widerlegt zu werden.

Wir starten von Bastia mit einem knuffigen Clio-Leihwagen zur Insel-Rundreise. Es dauert allerdings ein Weilchen, bis das Navi in Gang gebracht ist. Wer ahnt denn schon, dass die Blech-Else auf einer französischen Insel holländisch parliert? Chott verdammich! 

 

Bonifacio, Felsküste
Bonifacio, Felsküste

Die gut ausgebaute Straße ins 156 km entfernte Bonifacio windet sich hauptsächlich an der Küste entlang. Links geht der Blick hinaus aufs tiefblaue Meer, rechts breitet sich grünes Hügelland aus, Zypressen weisen den Weg zu Landhäusern, Burgen und Kapellen. Ab und zu meldet sich das Navi: „Over de Rotonde, tweede Afslag“. Na klar: in den Kreisverkehr und zweite Abfahrt wieder raus. Langsam grooven wir uns ein.

 

Unser erstes Ziel: Bonifacio! Das Hafenstädtchen ist noch imposanter als sein Name! Ein Sightseeing-Bähnli juckelt hinauf zur spätmittelalterlichen Altstadt, deren Häuser 60 m über dem Meer auf einem überhängenden Kreidekalkfelsen kleben. Fröhliche Urlauber bummeln durch enge Gassen, kraxeln steile Treppengassen rauf und runter, steigen über die 187 in den Fels geschlagenen Stufen der „Treppe des Königs von Aragonien“ hinab zum Meer und können sich kaum sattsehen am glasklaren Meer, das in den schönsten Blautönen leuchtet. Abends wandern wir mit einer Flasche Rosè, einem Stück Käse und einer Dose Oliven im Rucksack zum Capo Pertusatu und beobachten den Sonnenuntergang über der Festungsstadt. Die Schönheit des Augenblicks macht beinahe sprachlos.

Bonifacio gehört zur Region Porto Vecchio, und die ist für ihre besonders schönen Strände berühmt. San Ciprianu, Palombaggia, Tramariccia, Santa Giulia, Rondinara – immer wieder weisen kleine, kaum auffallende Schilder den Weg hinunter zum Meer, wo sich weiße Sandstrände zwischen grüner Macchia und roten Felsformationen ausbreiten. Paradiesisch. Und kaum zu toppen. Den empfohlenen Ausflug zu den verschlafenen Bergdörfern des Bavella-Massivs müssen wir leider auf den nächsten Korsika-Urlaub verschieben. Für uns geht’s weiter in Richtung Ajaccio.

 

Auf der Straße nach Sartène, laut Reiseführer, die „korsischste“ Stadt der Insel, passiert es zum ersten Mal: ein lautes Muuuuuh erfüllt den Innenraum des Clios – ???? – Schreck! Fuß vom Gas! Stille! Welcher Witzbold hat denn dieses Navi programmiert? Sobald man zu schnell fährt, muht zur Warnung eine Kuh! Nee, da fahre ich lieber nach Vorschrift.

Der Korse an sich gilt als stolz und schweigsam ?


In Ajaccio setzen sich die meisten Besucher zunächst einmal auf die Spuren Napoleons, besichtigen sein Geburtshaus in der Rue Saint-Charles, die Kathedrale, in der er getauft wurde, Geburtsurkunde und Totenmaske im Rathaus. Für uns ist die Inselhauptstadt auch Ausgangsziel für eine Fahrt in die Calanche, den „wilden Westen“, wo rot-braune bizarre Felsformationen der Phantasie Flügel verleihen. Wahnsinn, was für Gebilde Wind, Wasser und Temperaturunterschiede über die Jahrtausende geschaffen haben. Wahnsinn aber auch die schmale, in verwegenen Kurven angelegte Küstenstraße von Porto bis Piana, die zwischen unserem Clio und einem um die Ecke entgegenkommenden Bus gerade mal Platz für eine Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung lässt. Wir halten die Luft an, der Busfahrer winkt freundlich, und Jutta, die ihre Kamera sonst nie aus der Hand legt, vergisst bei diesem Adrenalinschub sogar zu filmen. Atemlos macht dann auch der Blick auf Piana. Schon wieder so ein Bilderbuchstrand!

 

Ajaccio
Ajaccio

Corte, aller guten Dinge sind drei :-)
Corte, aller guten Dinge sind drei :-)

Wer jetzt glaubt, gegen all diese einzigartigen Küstenerlebnisse kann das Bergland nur abfallen, wird schnell eines Besseren belehrt. Auf unserer Fahrt durch den Forêt Territoriale de Vizzavona zur ehemaligen Hauptstadt Corte sehen wir Dutzende Einstiege zu Wanderrouten durch die Bergwelt. Insgesamt soll es auf der Insel rund 1500 km Wanderwege geben, darunter der hochalpine Fernwanderweg GR 20, der Korsika von Nord nach Süd durchzieht.

 

 


Eindrucksvoll auch die Dörfer in der Balagne, dem blühenden Garten Korsikas: das 77-Einwohner-Dorf Saint Antonino, das mit seinen verwinkelten Gassen und Treppchen zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört, und das autofreie Künstlerdorf Pigna, wo in jedem von Blumen umrankten Häuschen gemalt, gebastelt und gewerkelt wird. Wer hier kein Souvenir findet, hat in den gut sortierten Geschäften und Boutiquen von Calvi noch eine Chance. Das Ferienzentrum mit imposanter Zitadellen-Kulisse ist die letzte Station unserer Korsika-Rundreise. Im wild-romantischen, von Efeu umrankten Hotel L’Abbaye wohnen wir wie Dornröschen und frühstücken wie Gott in Frankreich.

 

 


Golfe de Porto
Golfe de Porto

Nur ein paar Meter entfernt: die 5 km lange sichelförmige Bucht mit weißem Sandstrand. In einem der zahlreichen Restaurants am Yachthafen lassen wir den letzten Abend bei einem köstlichen Loupe de mer mit Wok-Gemüse und einem gekühlten Weißen von der korsischen Weinroute ausklingen.

Auf der Fahrt zum Flughafen in Bastia zeigt ein korsischer Autofahrer uns noch mal eindrucksvoll, was es mit den angeblich so sturen und verschlossenen Korsen auf sich hat. Als wir vor einer Kreuzung stehenbleiben, weil wir nicht genau wissen, wie wir fahren sollen, steigt er aus seinem Auto und fragt lächelnd, ob er uns irgendwie helfen kann...

Merci Beaucoup... und mit Asterix, das war wohl nix...