British Virgin Islands

Segeltraum im Steuerparadies

Sandy Split
Sandy Split

Hamburg _ Paris – St. Maartin – Tortola.

Schreibt sich schnell, reist sich langsam.

Und irgendwo zwischen Paris und St. Maartin fragt man sich, ob es nicht auch die Ostsee getan hätte. Warum müssen es unbedingt die British Virgin Islands sein, 20 Reisestunden entfernt? Aber dann, zwischen St. Maartin und Tortola, klebt die Nase am Fenster der kleinen Propellermaschine, und die eben noch müden Augen können sich gar nicht sattsehen an dem unglaublich schönen Sonnenuntergangsblick auf die kleinen Inselchen im tiefblauen Meer.
Und wenn man nach einer kurzen Autofahrt am Yachthafen in Road Town aussteigt, die warme Luft fühlt, die schicke Kabine auf dem Katamaran bezieht und beim sanften Rauschen des Meeres einschläft, weiß man: Die lange Anreise hat sich gelohnt.


Kabinen-Charter nennt sich die exklusive Karibik-Kreuzfahrt mit dem Segelkatamaran The Moorings 4800. Die Passagiere haben allein oder zu zweit eine von vier Kabinen gebucht. Ein Skipper kümmert sich ums Schiff, organisiert Reservierungen und Landausflüge, ein Koch sorgt fürs leibliche Wohl. 

 

Am Morgen treffen sich die Passagiere beim Open-Air-Frühstück. Die Luft duftet nach Karibikmeer, Frangipani-Blüten und Sonnencreme. Braungebrannte Segler in Shorts und Flipflops gehen vorbei, grüßen fröhlich. Jetzt gehören wir dazu. Bereit zum Inselhüpfen.

 

Ingela, Gabi und Ludger outen sich als versierte Segler, Stefan, Barbara und ich sind Laien. Für die Fahrt zu unserer ersten Insel wirft Andrew, der Skipper, allerdings den Motor an. Wolken türmen sich am Horizont, es regnet leicht, windet ordentlich. Ich sitze auf einer Bank am Vorderdeck. Füße hoch, Blick voraus, Gesicht im Wind. Herrlich!

 

Ein Strandspaziergang auf Cooper Island ist auch bei Regen reizvoll. Ausrollende Wellen zeichnen immer neue Muster in den feuchten Sand, zwei Vögel untersuchen eine Kokosnuss. Hängematten baumeln gelangweilt zwischen Palmen. Alles irgendwie feucht, aber wunderbar friedlich. Und als wir abends in die Marina Soper’s Hole einlaufen, wölbt sich schon wieder ein blitzblauer Himmel über den karibisch bunten Häuschen an Tortolas Westspitze.

 


Nach einer ruhigen Nacht beginnt der Morgen bei strahlendem Sonnenschein mit einem Bad im Meer. Dann hisst Andrew die Segel, und ich verziehe mich mit einem Becher Kaffee auf „meinen“ Bankplatz und genieße. Das Meer. Die Luft. Das Nichtstun. Und nach einer Stunde die Inselchen, die wie eine Fata Morgana im Meeresblau erscheinen. Weißer Sand, türkis umrahmt. In der Mitte ein Tuff aus grünen Pflanzen: Sandy Cay und Sandy Spit. Wir ankern vor Sandy Spit, schwimmen hin, laufen drum herum (500 Schritte), werden, zurück an Bord, mit einem „Ankerschluck“ belohnt. Der Orangensaft leuchtet hell in den Gläsern. Den Schuss Rum sieht man nicht. Das Leben ist schön.

 

Gemütlich visieren wir unser nächstes Ziel an, die White Bay auf Jost van Dyke, wo wir in der berühmten Soggy-Dollar-Bay einen Painkiller trinken wollen. Berühmt, weil das süffige Nationalgetränk der BVI dort vor mehr als 50 Jahren erfunden wurde. Berühmt aber auch für eine Wäscheleine, an der Dutzende Geldscheine zum Trocknen hängen. Die meisten Gäste schwimmen nämlich von ihrem Schiff zum Strand und zahlen mit Salzwasser-feuchten Dollars. Sogar die Rolling Stones. Und wir auch. 

In einem Liegestuhl am Strand döse ich vor mich hin. Nebenan schaukeln drei süße Zopf-Mädchen in einer Hängematte, eine Frau liest in einem Buch, leise Reggae-Rhythmen ziehen vorbei. .

 


Am nächsten Tag weht es uns nach Norman Island, die Insel, die Robert Louis Stevenson vor 130 Jahren zu seinem Buch „Die Schatzinsel“ inspirierte. Damals versteckten Piraten ihre Beute auf den unbewohnten Eilanden. Noch so mancher Schatz soll hier verbuddelt sein. Für ewig unentdeckt. Wie die Gelder, die clevere Geschäftsleute auf den BVI vor Steuerbehörden in Sicherheit bringen. Die verträumten Inselchen, die so unschuldig im Meer schlummern, sind eines der größten Steuerparadiese der Welt. 29.000 Einwohner, etwa 600.000 Briefkastenfirmen. Rund 50 Milliarden Dollar, die hier verwaltet werden.

 

Nun ja, Geld allein macht nicht glücklich. Aber es beruhigt. Sicher auch Virgin-Boss Sir Richard Branson, dessen noble Privatinsel Necker Island wir auf unserem Weg nach Virgin Gorda passieren. Unser Ziel: die Bitter End Marina. Doch der Bilderbuch-Palmenstrand steht in Kontrast zum Namen. Bitter End? Mary Joe, Managerin des Yacht Clubs, erklärt: Früher war die Marina für Segler meist die letzte Anlaufstelle vor der Abreise. Dann hieß es Abschied nehmen. Bitter. Uns versüßt ein Stück Key Lime Pie das Good Bye. Eine Spezialität des Hauses, die schon so manchen Skipper zum Kurswechsel veranlasst hat.  


North Sound, Bitter End
North Sound, Bitter End

Wir nehmen jetzt Kurs zur Levericks Bay, steigen um in ein „Lookout“ – ein bunter, offener Mini-Bus mit Holzbänken – und knattern über die Insel. Zum 418 Meter hohen Gorda Peak. Durch Straßendörfer. Und zum Local-Restaurant „Sugar & Apple“. Dort sitzen wir auf wackligen Stühlen an wackligen Holztischen und verputzen mit großem Appetit Cynthias Hähnchen-Eintopf. Mit Liebe gekocht, mit Hingabe gewürzt. Köstlich.

Gut gestärkt fahren wir zur Attraktion The Baths am südlichen Zipfel der Insel. Zwischen der mystischen Landschaft aus riesigen Granitfelsen, malerischen Palmen und weißem Sand hatte auch Heidi Klum schon mal ein Shooting. Wir klettern – wahrscheinlich weniger fotogen – zwischen den Felsen herum, waten durch kleine Seen, zwängen uns durch Grotten und landen in einer himmlischen Strandbucht. Kristallklares Wasser, angenehm kühl, leuchtend türkis. Auf dieser Reise habe ich immer öfter das Gefühl, zu träumen. 

Und selten war ich so entspannt. Stress? Hektik? Was soll das sein?


Der letzte Abend unseres Segeltörns ist angebrochen. Im Coco Maya Restaurant ist ein Tisch reserviert. Direkt am Strand. Feuer, Fackeln, Felsen. Füße im Sand. Wieder so ein Traum-Gefühl. Die lange Rückreise nach Deutschland? Kein Problem! Zeit zum Träumen.