Fin und der Engel aus New York – Fast ein Weihnachtsmärchen

Das Leben schreibt die schönsten Geschichten. Und die unglaublichsten. Wie die unseres Tour-Guides Fin, der am eigenen Leib so eine Art Wunder erlebte

 

Der Kambodschaner kam an Bord des Mekong-Kreuzfahrtschiffes AMADARA, um uns bei den Ausflügen in seiner Heimat zu begleiten, Sehenswertes zu zeigen und von Land und Leuten zu erzählen. Sein Wissen war enorm, sein Englisch hervorragend, sein Humor liebenswert. Und seine eigene Geschichte klingt wie ein Weihnachtsmärchen.


Fin war ein knappes halbes Jahr alt, als sein Vater, ein Lehrer, Opfer der Roten Khmer wurde. So, wie zwischen 1975 und 1979  rund ein Viertel der Bevölkerung. Die Mutter schaffte es trotz aller Schwierigkeiten und Entbehrungen, Fin und seinen vier älteren Geschwistern eine  Schulausbildung zu ermöglichen. Doch ihr Jüngster hatte, als er 15 war, keinen Bock mehr auf Schule. Er wollte arbeiten, Geld verdienen und richtig Englisch lernen. In einem Restaurant sah er dazu die besten Möglichkeiten. Als Aushilfs-Kellner versuchte er mit englisch-sprachigen Gästen ins Gespräch zu kommen, um sein Schul-Englisch zu verbessern.

So kam er eines Tages mit einem Touristen aus New York ins Plaudern. Ein freundlicher Mann namens Michael, der sich ausführlich mit dem jungen Kambodschaner unterhielt, vieles wissen wollte und an seinen Lebensumständen interessiert war. Fin war begeistert und freute sich, als der Gast auch in den nächsten Tagen ins Restaurant kam und ein paar Worte mit

ihm wechselte.  „Nach seinem drittem Besuch wollte er meine Mutter kennenlernen“, erinnert sich Fin. „Ich habe mich natürlich gewundert, ihn aber nach Dienstschluss mit zu meiner Familie genommen.“

Dort sprach der Besucher aus Amerika sehr ernst mit Fins Mutter über ihren Sohn, sagte ihr, dass er ihn für intelligent halte, und dass es ein Fehler wäre, die Schule zu schmeißen.

„Der Junge muss einen ordentlichen Schulabschluss machen und Englisch studieren“, sagte er. „Für die Kosten komme ich auf.“

Am nächsten Tag eröffnete er bei der Bank ein Konto für Fin, zahlte 60 US Dollar ein und überwies von da an jeden Monat die Schul- bzw. Studien-Kosten für den Jungen, der sein Glück kaum fassen konnte, es eigentlich immer noch nicht fassen kann.

„Ich habe die Schule abgeschlossen, studiert, einen ordentlichen Beruf gelernt -und das alles habe ich Michael zu 

verdanken", sagt er. „Er ist wie ein Engel in mein Leben getreten. Sowas gibt es doch eigentlich nur im Film." Aber es ist Wirklichkeit. Der Mann aus New York hat einem jungen Kambodschaner eine Zukunft gegeben. Ohne Forderungen, ohne Hintergedanken, einfach nur, um dem Jungen eine Zukunft zu schenken.

Heute ist Fin verheiratet, hat eine hübsche Frau, eine Tochter (15) und einen Sohn (11). „Der Junge heißt Michael jun.“, lächelt der 39-Jährige. „Ich habe ihn aus Dankbarkeit nach meinem Förderer genannt.“

Der Kontakt zu dem großherzigen New Yorker ist nie ganz abgebrochen. Im letzten Jahr war er sogar in Phnom Pen und hat Fin und seine Familie besucht.

„Jetzt haben sich endlich auch die beiden Michaels kennengelernt – und super verstanden", freut sich der Familienvater. „Es war ein wunderschöner Abend“...

... und das vorläufige Schlusskapitel einer wunderbaren Geschichte, die gut und gern als Weihnachtsmärchen durchgehen könnte.


 

Oben: Ein Foto aus vergangenen Zeiten: der damals 15-jährige Fin mit dem großherzigen Michael aus Amerika, der seine Schule und sein Studium finanzierte

 

Rechts: Wiedersehen vor einem Jahr. Der Amerikaner besuchte Fin und seine Familie in Phnom Penh. Der große (Mitte) und der kleine Michael (rechts neben seiner Mutter) verstanden sich prima


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