Keine Schuhe an den Füßen, aber Rod Stewart im Ohr

Mit dem Großsegler Chronos an der Lykischen Riviera

Schuhe? Kann man eigentlich Zuhause lassen.

Und die Sneaker von der Anreise verschwinden auch sofort nach Entern der Segelyacht in einer großen Kiste und werden höchstens mal herausgekramt, wenn ein Ausflug geplant ist, oder wenn’s abends mal in ein Restaurant an Land gehen soll. An Bord der Chronos ist unten ohne angesagt. Auf den warmen, glatten Teakholz-Planken braucht niemand feste Sohlen.

 

Die bildschöne Segelyacht ist mit 1000 Quadratmeter Segelfläche, feinen Holzarbeiten in Teak und Mahagoni, blankgewienertem Chrom und dem klassischen Rigg mit Nagelbänken und Holzblöcken ein echtes Schmuckstück. Sie liegt ruhig im Wasser, und schnell ist sie auch. Bis 15 Knoten. Kein Wunder, dass wir an Bord nur begeisterte Segler trafen. Aktive und passive.

Alles kann, nichts muss, das ist unser Motto an Bord,

hatte der holländische Kapitän Sjoerd van der Berg gleich bei der Begrüßung erklärt. „Das ist Euer Urlaub. Ihr könnt machen, was ihr wollt. Wer beim Segeln mit anfassen möchte – gerne. Wer lieber zuschaut – kein Problem. Bei uns geht’s absolut entspannt zu. Und auch unsere täglichen Törns planen wir alle zusammen.“

 

Ob das klappt? Ein bisschen skeptisch war ich schon. 21 Passagiere aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Paare, Singles, eine Familie mit zwei Kindern. Bestimmt gar nicht so leicht, sie alle einzunorden.

 

Aber die Bedenken verwehten schon mit der leichten Brise beim ersten Abendessen. An langen Holztischen achtern an Deck kamen bei Kotelett mit Salat und Weißwein alle auf Anhieb ins Gespräch. Interessante Themen, lustige Anekdoten, fröhliche Gesichter.

 

Und als Sjoerd nach dem Essen die Lichter an Bord löschte, um den Blick auf den Sternenhimmel frei zu geben, standen alle Passagiere einträchtig nebeneinander an Deck und schauten andächtig hinauf ins tiefblaue Firmament. Großer Wagen, Milchstraße, Kassiopeia – so klar, so deutlich, beinahe zum Greifen nah. Da wird man als Großstädter richtig andächtig.. 


Überhaupt, die Abende! Allein dafür hätte sich diese einwöchige Kreuzfahrt gelohnt! Meist wurden sie von einem orange leuchtenden Aperol Spritz als Sundowner eingeleitet. Fotos von Sonnenuntergängen wurden im Dutzend fotografiert. Eines schöner als das andere. Dann die gemütlichen Mahlzeiten, rustikal, aber super lecker von Küchenchef Randolf in seiner kleinen Kombüse zubereitet. Immer wieder interessante Gespräche. Die Nächte warm, sanft umschmeichelnde Stille, Mondlicht, das sich im Seidenwasser spiegelt. Der Sternenhimmel. Kitschig schön. Entschleunigung total.

 

Auch die Morgenstunden wurden zu Ritualen. Meist blinzelte die Sonne schon früh durch die Bullaugen. Zähneputzen, Bikini an und rauf aufs Deck. Dort hatte garantiert jemand von der Besatzung schon die Admiralitätsleiter in die richtige Position gebracht, damit wir bequem ins Wasser steigen konnten. Na ja, die ganz Sportlichen sprangen mit elegantem Kopfsprung ins türkisfarbene Meer. Ein paar Runden ums Boot, dann lockte der Kaffeeduft die Schwimmer zurück an Bord. Schneller Klamottenwechsel in der Kabine. In Shorts und T-Shirt standen wir kurze Zeit später auf dem Achterdeck vor dem üppigen Frühstücksbuffet. Käse, Schinken, Lachs. Und zwischendurch machte Randolf immer mal wieder die Runde mit einem Blech voller Spiegeleier und kross gebratenem Speck. Mmh! 

 

Nach dem Frühstück wurde stets das Tagesprogramm besprochen. Würde genug Wind aufkommen, um die Segel zu setzen? Sollte Sjoerd den Motor anwerfen, um langsam an der Küste entlang zu tuckern? 

 

Wollte die Mehrheit der Passagiere lieber noch einen längeren Badestopp einlegen, zum Schwimmen, Paddeln oder auf einem Gummikrokodil vom Dingi durchs Wasser gezogen werden? Oder wie wärs mit einem Landgang? Oft waren sofort alle einer Meinung, manchmal wurde abgestimmt. Probleme gab es nie. 

 

Was allen an Bord der Chronos besonders gut gefiel, war die Kombination: Komfort und Service wie auf einem großen Kreuzfahrtschiff, dazu die familiäre, sportliche, naturverbundene Atmosphäre und das Abenteuer-Feeling beim Segeln. Wie unvergleichlich schön, wenn Wind aufkam und die Segel gehisst wurden. Dann machte es sich jeder auf seinem Lieblingsplatz an Deck bequem, schaute in die Ferne, und summte in Gedanken Rod Stewarts „Sailing“, passend zur Melodie, die entsteht, wenn der Wind kräftig in die Segel greift und das Schiff die Wellen teilt. Stundenlang hätte man so sitzen und träumen können. Stun-den-lang!

 


Während unserer Reise entlang der Lykischen Küste, die unter dem Motto „Segeln und Geschichte“ stand, wurden wir von Dr. Ulf Hailer und seiner Frau Birgit begleitet, beides Archäologen, die während ihres Studiums an der Uni Tübingen an einem Feldforschungsprojekt in der Südtürkei teilgenommen hatten und die Ausgrabungsstätten der Region und deren geschichtlichen Hintergrund besonders gut kannten. So drehte sich schon an Bord so manches Gespräch um das Leben in der Antike. Heilige Schauer liefen unsere braungebrannten Rücken hinunter, wenn Ulf von antiken Handelsschiffen erzählte, deren Wracks mitsamt Ladung und Besatzung irgendwo unter uns in 1000 Meter Tiefe liegen und ihre Geheimnisse für die Ewigkeit hüten. Und bei den Landgängen zu antiken Ausgrabungen und Burgfestungen, gelang es den beiden immer wieder, für uns die Vergangenheit lebendig werden zu lassen.

 

Im Winter-Halbjahr kreuzt die Chronos in der Karibik, segelt zu Trauminseln wie Martinique, St. Lucia, British Virgin Islands und St. Martin. Im Sommer geht’s dann zurück ins Mittelmeer. Dann stehen Mallorca, Menorca, Korsika, Sardinien und die Côte d’Azur auf dem Programm. Ganz ehrlich? Ich wäre verdammt gern mal wieder an Bord.