Allgäu

Mythos Moor - Geheimnis aus der Tiefe

Lieblich, verträumt, heiter – so kannte ich das Allgäu bisher. Jetzt kenne ich auch seine „dunklen“ Seiten

Zugegeben: Es gehört schon etwas Überwindung dazu, in die dickflüssige dunkle Brühe zu steigen, die in einem hölzernen Zuber wabert. Aber es soll ja soooo gesund sein. Und ich bin schließlich eine taffe Hamburger Deern!

Angst vor nix! Vorsichtig tauche ich zuerst den großen Zeh ein und lasse mich dann langsam im 40 Grad warmen Moorbad nieder. Eigentlich fühlt es sich durchaus angenehm an. Der Körper entspannt, wird ganz leicht, meine Beine scheinen über dem Grund zu schweben. Ja, gut vorstellbar, dass diese schwarze Masse aus der Tiefe der Erde, mit Substanzen, die sich über Jahrtausende hinweg entwickelt haben, heilende Kräfte birgt.

Nach 15 Minuten muss ich den Zuber wieder verlassen, werde von einer Therapeutin mit warmem Wasser abgespritzt, auf einer Liege in eine Decke eingepackt und darf, verschnürt wie eine ägyptische Mumie, mit Blick auf einen künstlichen Sternenhimmel dösen.


Sonnenstrahlen kann man sammeln

Mein Moorbad ist Teil der „Alpenwellness Allgäu“ in Bad Wurzach. Hier, an der Oberschwäbischen Barockstraße, liegt die größte Hochmoorfläche Mitteleuropas. Ein Landschaftsparadies mit weitläufigen, liebevoll angelegten Spazier-, Wander- und Radwegen. Hier scheint alles irgendwie gesund zu sein. Jeder Atemzug in der sauberen Bergluft, jede Begegnung mit dem Moor, das man hier „schwarzes Gold“ nennt. Moorbäder sollen bei der Reha von Hüft-, Knie- und Bandscheiben-Erkrankungen helfen, Muskeln entspannen, bei Rheuma schmerzlindernd wirken und bei Kinderwunsch den Hormonhaushalt regulieren.

Nach dem Moorbad sollte man eigentlich ein paar Stunden ruhen. Doch mich zieht’s raus in die Sonne. Im Taufach-Fetach-Moos treffe ich Herta Mayan, Trainerin und Expertin für Yoga, zur Meditationswanderung. Kamera und Aufnahmegerät müssen im Auto bleiben, erklärt sie streng. Ich soll mich allein auf die Natur konzentrieren. Nach ein paar Schritten auf dem Wanderweg bleiben wir auf einer Lichtung stehen. Ich schließe die Augen, wende mein Gesicht zur Sonne und sammle Sonnenstrahlen, ganz so, wie es Herta Mayan erklärt hat. Ein schöner Gedanke!

Unterwegs im Wutzacher Ried


Ruhe liegt über der kargen Landschaft, Ruhe, die sich schon bald auf den Menschen überträgt. Langsam stapfen wir hinter einander her, konzentrieren uns mal auf die Blätter am Baum, mal auf den Geruch des Bodens, mal auf die Geräusche der Tierwelt. Nach einer Stunde sind wir wieder am Parkplatz. Ich bin total relaxed und freue mich auf das vor mir liegende Kontrast-Programm: ein Besuch im mittelalterlichen Kurort Isny. 

Hübsch ist es hier. Bunt und lebendig. Nach einem Stadtbummel zum Rathaus, auf dessen Dach ein Storchennest thront, vorbei am originellen Steuerzahlerbrunnen (ein Beamter, der eine Kuh melkt) zur alten Stadtmauer und zum Espantor aus dem 13. Jahrhundert, darf ich einen Blick ins prächtige Schloss Isny werfen. Im südlichen Flügel, wo einst Benediktinermönche für eine bessere Welt beteten, hat der Maler und Kinderbuch-Illustrator Friedrich Hechelmann mit seinen Bildern und Skulpturen ein eindrucksvolles Gesamtkunstwerk geschaffen. 


Als am nächsten Morgen der Wecker klingelt, ist es draußen noch stockfinster. Den Sonnenaufgang erlebe ich heute im Wurzacher Ried. Nebelschwaden hängen über dem Moor, Tautropfen schmücken Grashalme, Zweige und Blätter wirken wie Scherenschnitte. Mystisch, verzaubert. Auf den Spuren der Torfstecher wandere ich in den erwachenden Tag hinein, erfahre anhand von Informationstafeln und altem Gerät, wie die Menschen früher schuften mussten, um das „schwarze Gold“ abzubauen. 

Irgendwann lichten sich die Nebel. Sonne durchflutet die Urlandschaft, die ersten Jogger laufen ihre Runden, Radler mit Picknickkörben fahren vorbei, und am Museum startet die kleine Torfbahn mit fröhlich lachenden Besuchern zu ihrer ersten Runde. 


Mein letzter Allgäu-Tag gehört Bad Wurzach. Beim Bummel durch die Gassen bewundere ich die mittelalterlichen Häuser, im Schloss das hinreißende Barocktreppenhaus mit eindrucksvollem Deckenfresko und bei der Wallfahrtskirche auf dem Godesberg die großartige Aussicht auf das Alpenpanorama. Sehr beeindruckend finde ich auch das Torfmuseum und die multimediale Erlebnis-Ausstellung MoorExtrem. Beide zeigen im modernen, lichtdurchfluteten Ambiente Wissenswertes zum schwarzen Gold, der „dunklen“ Seite des Allgäu.